Kündigung während der Elternzeit

 

Für die Inanspruchnahme von Elternzeit ist das schriftliche Verlangen nach § 16 Abs. 1 BErzGG Wirksamkeitsvoraussetzung. Versäumt es der Arbeitnehmer, die Elternzeit in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zu beantragen, besteht grundsätzlich kein gesetzlicher Sonderkündigungs-schutz nach § 18 Abs. 1 BErzGG. Ein Berufen des Arbeitgebers auf die fehlende Schriftform kann im Einzelfall ein rechtsmissbräunliches Verhalten i. S. v. § 242 BGB sein.

 

BAG 26.6.2008 - 2 AZR 23/07

 

Hinweis für die Praxis:

 

Nach § 18 BEEG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit nicht kündigen.

 

Das Kündigungsverbot des § 18 BEEG besteht allerdings grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitnehmerin die Elternzeit berechtigterweise angetreten hat und zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch sämtliche Anspruchsvoraus-setzungen für die Elternzeitvorliegen. Zum Kündigungszeitpunkt müssen deshalb sowohl die Voraussetzungen von § 15 BEEG als auch die des § 16 BEEG erfüllt sein. Nur derjenige kommt in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes nach § 18 BEEG, der sich berechtigterweise in Elternzeit befindet.

 

Demnach müssen alle Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen können, nicht nur die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 15 Abs. 1 BEEG erfüllen, sondern auch die Elternzeit schriftlich und ordnungsgemäß gegenüber ihrem Arbeitgeber verlangt haben (BAG 7.2.1994 - 2 AZR 616/93). Das schriftliche Verlangen stellt eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit dar.

 

Das Schriftformerfordernis dient der Rechtsklarheit. Am Beginn einer Elternzeit sind vielfältige Fallgestaltungen denkbar, in denen - bei fehlender schriftlicher Beantragung - offen bleibt, ob Elternzeit in Anspruch genommen oder eine andere Form der Arbeitsbefreiung geltend gemacht wird bzw. schlicht eine Fehlzeit vorliegt. Dementsprechend kommt dem schriftlichen Verlangen nach Elternzeit eine vor allem klarstellende Funktion für die Parteien zu, an der grundsätzlich - wie es in § 16 BEEG vorgesehen ist - festzuhalten ist. Versäumt es der Arbeitnehmer, die Elternzeit in der entsprechenden Form zu beantragen, besteht demnach grundsätzlich kein besonderer Kündigungs-schutz.

 

Allerdings kann ein Berufen des Arbeitgebers auf die fehlende Schriftform ein rechtsmissbräunliches Verhalten sein.

 

Im Einzelfall kann das Berufen auf die fehlende Schriftform gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Erscheinungsform des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium") verstoßen, wenn dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin Elternzeit gewährt worden ist, obwohl dem Arbeitgeber bekannt war, dass die Anspruchsvoraussetzungen - insbesondere die fehlende Schriftlichkeit - nicht vorliegen. Nach dem Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist ein Verhalten als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BAG 4.12.1997 - 2 AZR 799/96; BAG 14.9.2005 -4 AZR 384/04; BAG 23.8.2006 - 4 AZR 417/05). Das ist besonders der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Vertragspartei - bewusst oder unbewusst - für die andere Vertragspartei ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist (BAG 17.7.2003 - 8 AZR 376/02; BAG 23.8.2006 - 4 AZR 417/05). Ein solches Vertrauen kann auch durch Umstände begründet werden, die nach dem Beginn des Fernbleibens von der Arbeit eingetreten sind (vgl. auch BAG 10.3.2004 - 4 AZR 212/03; BAG 23.8.2006 - 4 AZR 417/05).

 

Im Entscheidungsfall hatte der Arbeitgeber es in Kenntnis des fehlenden schriftlichen Antrags hingenommen, dass die Arbeitnehmerin nicht zur Arbeit erschienen ist und ihre „Elternzeit" fortgeführt hat. Er hat die Arbeitnehmerin wie eine Elternzeitberechtigte behandelt, was sinnfällig durch ihre entsprechenden Angaben gegenüber der BKK deutlich wurde. Deshalb setzt sich der Arbeitgeber mit seinem Verhalten zur bisherigen Vorgehensweise in Widerspruch und hat das hinsichtlich des Kündigungsschutzes entstandene Vertrauen der Arbeitnehmerin grundlos enttäuscht. Die Arbeitnehmerin kann sich deshalb mit Erfolg auf den Sonderkündigungsschutz des § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG berufen.