Versicherungsschutz bei Trunkenheitsfahrt
Welche Einstandspflichten bestehen für Versicherungen, wenn ihr Versicherungsnehmer mit Alkohol im Blut gefahren ist und dabei einen Unfall verursacht hat?
absolute Fahruntüchtigkeit
Das LG Tübingen hatte bei seinem Urteil vom 26.04.2010 (Az. 4 O 326/09) den Sachverhalt zugrunde liegen, dass der Sohn des Versicherungsnehmers (in versicherungsrechtlicher Hinsicht als Repräsentant anzusehen) mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,29 Promille auf einer gerade, vier Meter breiten Fahrbahn nach links gegen ein parkendes Fahrzeug gefahren ist. Der Versicherungsnehmer begehrt nun von seiner Versicherung den Ausgleich des Kaskoschadens.
Die Klage hat das LG Tübingen abgewiesen. Durch das alkoholisierte Fahren hat der Fahrer einen gröblichen Verstoß gegen die Grundsätze der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt begangen. Der Unfall hat ursächlich durch die Alkoholisierung stattgefunden. Demnach ist die Versicherung gemäß § 81 VVG zur Leistungskürzung berechtigt. Die Höhe der Kürzung richtet sich nach der Schwere des Verschuldens.
Hier hatte der Fahrer die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille deutlich überschritten. Bei seinem Verhalten handelt es sich um eine Straftat gemäß §§ 315c und 316 StPO. Bei einem solchen Verhalten ist es nicht hinnehmbar, dass die Versicherungsgemeinschaft auch nur einen Teil der Unfallkosten übernimmt. Eine Kürzung um 100% ist daher angemessen. Das LG schließt damit an eine Zahl gleichlautender Entscheidungen anderer Gerichte an.
relative Fahruntüchtigkeit
Während die absolute Fahruntüchtigkeit bei 1,1 Promille einsetzt und per se eine Straftat darstellt (§ 316 StPO) liegt der Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit zwischen 0,3 und 1,1 Promille. Hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz müssen weitere Elemente (beispielsweise ein Unfall) hinzutreten.
Das OLG Hamm hat in seinem Urteil vom 25.08.2010 (Az. 20 U 74/10) insofern Neuland beschritten, als es erstmals Kürzungsquoten für Leistungen einer Kaskoversicherung im Falle einer relativen Fahruntüchtigkeit des Versicherungsnehmers festgelegt hat.
Im vorliegenden Fall war die Versicherungsnehmerin mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,59 Promille in einer Linkskurve gegen eine Laterne gefahren. Das OLG erkannte hier eine grob fahrlässige Verursachung des Unfalls, da es sich beim Abkommen von der Fahrbahn um einen typisch alkoholbedingten Fahrfehler handelt. Die Versicherung war entsprechend gemäß § 81 VVG zur Kürzung der Leistung nach der Schwere des Verschuldens berechtigt.
Das Gericht hat eine Leistungskürzung von 60% für angemessen erachtet. Dabei ging es vom Grundsatz aus, dass mit Erreichen der relativen Fahruntüchtigkeit bei 0,3 Promille eine Kürzung von 50% angemessen sei. Diese steige mit zunehmenden Alkoholisierungsgrad an. Mildernd wurde eine emotional belastende Situation der Fahrerin (schwere Erkrankung der Eltern) berücksichtigt.
Mit dem Urteil liegt erstmals eine obergerichtliche Entscheidung für den Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit vor. Bislang gab es den Streit, ob auch hier eine vollständige Kürzung wie bei der absoluten Fahruntüchtigkeit in Frage kommt oder ob es nur prozentuale Kürzungen geben kann. Das OLG Hamm hat sich letzterer Auffassung angeschlossen und betrachtet und bewertet das Verhalten des alkoholisierten Fahrens in Schritten von 10%.